Am 10. Juli 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein wegweisendes Urteil (Az.: IV ZR 196/22) gefällt, das für viele Versicherungsnehmer mit einer Rürup-Rente von großer Bedeutung ist. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Widerruf eines Rürup-Rentenvertrags auch Jahre nach Vertragsabschluss noch möglich ist.
Hintergrund des Falls
Der Kläger hatte im Jahr 2006 eine fondsgebundene Rürup-Rentenversicherung abgeschlossen. Über viele Jahre zahlte er Beiträge ein und nahm teilweise Änderungen am Vertrag vor, wie etwa Beitragserhöhungen, -reduzierungen oder Umschichtungen in Fonds. Erst im Mai 2020 erklärte er den Widerspruch gegen den Vertragsabschluss.
Begründet wurde der Widerruf damit, dass die Widerspruchsbelehrung fehlerhaft war und die Verbraucherinformationen unvollständig bereitgestellt wurden.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht wiesen die Klage des Versicherungsnehmers ab. Begründung: Der Kläger habe den Vertrag über viele Jahre genutzt, und der Widerruf sei daher rechtsmissbräuchlich.
Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidungen auf und stellte klar:
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Fehlerhafte oder fehlende Widerspruchsbelehrung: Wenn die Belehrung über das Widerrufsrecht fehlerhaft war oder gar fehlt, kann der Versicherungsnehmer das Widerrufsrecht zeitlich unbegrenzt ausüben.
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Vertragsänderungen sind kein Hindernis: Auch die vorgenommenen Änderungen am Vertrag, wie Beitragserhöhungen oder Fondsumschichtungen, rechtfertigen keinen Ausschluss des Widerrufsrechts.
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Steuerliche Förderung irrelevant: Die Tatsache, dass Rürup-Renten steuerlich gefördert werden, stellt kein Hindernis für einen Widerruf dar.
Mit anderen Worten: Versicherungsnehmer können trotz jahrelanger Vertragslaufzeit und trotz Nutzung des Vertrags ihre Beiträge zurückfordern, wenn die ursprüngliche Widerspruchsbelehrung fehlerhaft war.
Bedeutung des Urteils
Dieses Urteil stärkt die Rechte von Versicherungsnehmern erheblich. Wer eine Rürup-Rente abgeschlossen hat und Zweifel an der Vollständigkeit oder Korrektheit der Verbraucherinformationen und Widerspruchsbelehrung hat, kann den Vertrag prüfen lassen. Bei erfolgreichem Widerruf können die eingezahlten Beiträge oft inklusive Zinsen oder Nutzungen durch die Versicherung zurückgefordert werden.
Fazit
Das Urteil des BGH eröffnet für viele Versicherungsnehmer die Möglichkeit, ihre Rürup-Rente noch nach vielen Jahren rückabzuwickeln. Eine professionelle rechtliche Prüfung der Vertragsunterlagen kann sich daher lohnen – insbesondere bei Verträgen, die vor der Verschärfung der Widerspruchsbelehrungen abgeschlossen wurden.
Versicherungsnehmer, die den Widerruf erwägen, sollten sich rechtzeitig beraten lassen, um ihre Ansprüche korrekt geltend zu machen und mögliche Fristen oder Formalitäten einzuhalten.