Mit einem wegweisenden Urteil vom 10. April 2025 (Az. 20 U 150/23) hat das Oberlandesgericht Köln entschieden: Die Schufa darf erledigte Forderungen nicht länger speichern. Damit stärkt das Gericht die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern erheblich. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für die Praxis des Bonitäts-Scorings haben.
OLG Köln: Speicherung verstößt gegen DSGVO
Das OLG Köln verurteilte die Schufa Holding AG zur sofortigen Löschung eines Eintrags über eine beglichene Forderung und sprach dem Kläger 500 Euro immateriellen Schadensersatz zu. Die Richter stellten klar: Ein berechtigtes Interesse an der Speicherung entfällt, sobald eine Forderung bezahlt wurde. Die bisherige Praxis – erledigte Schulden für drei Jahre zu speichern – sei nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar.
Weitere Urteile: Auch LG Aachen und LG Bamberg urteilen verbraucherfreundlich
- LG Aachen (Az. 8 O 224/24): Bestätigte die Unzulässigkeit der Speicherung erledigter Forderungen. Auch hier wurde ein Anspruch auf Schadensersatz zugesprochen.
- LG Bamberg (Az. 41 O 749/24 KOIN, Urteil vom 26. März 2025): Ging sogar noch weiter und kritisierte das automatisierte Scoring der Schufa – ohne menschliche Prüfung – als Verstoß gegen Art. 22 DSGVO. Der Kläger erhielt 1.000 Euro Schadensersatz.
Schufa reagiert mit Revision und umstrittenen Angeboten
Die Schufa hat gegen das OLG-Urteil Revision beim Bundesgerichtshof angekündigt. Dieses Vorgehen könnte gegen § 12 BORA (Berufsordnung der Rechtsanwälte) verstoßen, der direkten Kontakt zur gegnerischen Partei bei bestehendem Mandat untersagt. Die Kanzlei des Klägers hat Strafanzeige erstattet. Pikant: Der Kläger hatte seine Mobilnummer nie an die Schufa übermittelt – eine datenschutzrechtliche Aufarbeitung läuft.
Was Betroffene jetzt tun sollten
Wenn Sie vermuten, dass auch Ihre beglichenen Schulden weiterhin gespeichert werden, können Sie wie folgt vorgehen:
- Auskunft nach Art. 15 DSGVO bei der Schufa einholen
- Löschungsaufforderung bei unzulässiger Speicherung – mit angemessener Frist
- Bei Ablehnung: gerichtliche Durchsetzung von Löschung und ggf. Schadensersatz
Die Kanzlei Müller Seidel Vos berät Sie bundesweit bei der Durchsetzung Ihrer Rechte gegenüber der Schufa und anderen Auskunfteien.
Bedeutung für das Scoring-System
Sollte der Bundesgerichtshof die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigen, müsste die Schufa ihr automatisiertes Scoring-System grundlegend überarbeiten. Die DSGVO fordert eine menschliche Überprüfung, wenn Entscheidungen rechtliche Wirkung entfalten – das betrifft auch Kreditvergaben und Vertragsabschlüsse.
Ausblick: Entscheidung mit europäischer Tragweite?
Der Bundesgerichtshof wird sich mit der Frage beschäftigen, ob die pauschale Speicherfrist von drei Jahren mit dem Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 DSGVO) vereinbar ist.
Bereits 2023 hatte der Europäische Gerichtshof automatisierte Bonitätsentscheidungen kritisch beurteilt. Eine Bestätigung der Urteile durch den BGH könnte daher eine neue europaweite Rechtsprechungslinie einleiten.
Fazit: Wer seine Schulden beglichen hat, darf nicht dauerhaft belastet werden
Die Urteile aus Köln, Aachen und Bamberg markieren einen klaren Wendepunkt im Datenschutz- und Verbraucherrecht. Betroffene haben das Recht, sich gegen unzulässige Einträge zu wehren – und in vielen Fällen auch Schadensersatz geltend zu machen.
Kanzlei Müller Seidel Vos unterstützt Sie dabei mit rechtlicher Expertise und bundesweiter Vertretung.