Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 28. Juli 2015 (XI ZR 434/14) hat der Bundesgerichtshofs (BGH) die Klausel zur pauschalen Erhebung von Entgelten für Buchungsposten bei Geschäftsgirokonten für unwirksam erklärt. Dieses Urteil dürfte für Unternehmen und Selbständige von weitreichender Bedeutung sein, denn hierdurch können Kontoführungsgebühren in erheblicher Höhe zurückgeholt werden.
Hintergrund der BGH-Entscheidung vom 28. Juli 2015 (XI ZR 434/14)
In dem vom BGH entschiedenen Fall hat ein Versicherungsmakler von der Sparkasse, bei der er sein Geschäftsgirokonto unterhielt, die Erstattung der in den Jahren 2007 bis 2011 von ihm gezahlten Buchungspostenentgelte in Höhe von 77.637,38 € nebst Zinsen verlangt. Der klagende Versicherungsmakler verwaltet etwa 25.000 Versicherungsverträge und hat dabei auch das Beitragsinkasso im Auftrag der jeweiligen Versicherungsgesellschaft übernommen. Hierbei kommt es häufig zu einer Rückbelastung von Lastschriften, wofür die Sparkasse auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und des Preis- und Leistungsverzeichnisses neben den Fremdgebühren und einem mit dem Makler gesondert vereinbarten Entgelt für die Bearbeitung der Rücklastschriften ein pauschales Buchungspostenentgelt („Preis pro Buchungsposten„) in Höhe von 0,32 € erhebt.
Klausel zur Erhebung eines pauschalen Buchungspostenentgelts stellt Preisnebenabrede dar
Die Richter des BGH hatten zunächst zu prüfen, ob die Klausel zur Erhebung eines pauschalen Buchungspostenentgelts überhaupt der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegt. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unterliegen nämlich nur solche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle, mit denen Regelungen vereinbart werden sollen, die von Rechtsvorschriften abweichen.
Wie der BGH jetzt festgestellt hat, unterliegt die angegriffene Klausel der richterlichen Inhaltskontrolle, da mit ihr Regelungen getroffen werden, die von Rechtsvorschriften abweichen. Die Klausel ist so auszulegen, dass auch für solche Buchungen Entgelte erhoben werden dürfen, die sowohl für Bareinzahlungen auf das Konto als auch für Barabhebungen am Schalter sowie für fehlerhaft ausgeführte Zahlungsaufträge anfallen. Da die gesetzlichen Regelungen für derartige Buchungen aber gerade keine Entgelte vorsehen, weicht die Klausel von Rechtsvorschriften ab und ist als sogenannte Preisnebenabrede somit kontrollfähig.
Pauschale Buchungsposten-Entgeltklausel ist unwirksam
Der BGH hat die angegriffene Klausel jetzt für unwirksam erklärt, da sie unangemessen ist.
Die Unangemessenheit der Klausel ergibt sich nach Ansicht der Richter für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Zahlungsdiensterechts im Jahre 2009 daraus, dass durch sie mangels Freipostenregelung auch Ein- und Auszahlungen bepreist werden, die indes als Akte zur Begründung oder Erfüllung von Darlehens- oder Verwahrungsverhältnissen zu werten sind. Für Ein- und Auszahlungen auf Darlehen oder unregelmäßigen Verwahrung sehen die gesetzlichen Regelungen aber kein Entgelt vor.
Für die Zeit nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensterechts weicht die Bepreisung jedweder Buchung nach Ansicht der Richter von der Vorschrift des § 675u BGB ab, wonach die Bank als Zahlungsdienstleisterin keinen Anspruch auf ein Entgelt bei der Ausführung eines nicht autorisierten Zahlungsauftrags hat. Von dieser Regelung dürfe gemäß § 675e Abs. 4 BGB auch nicht zum Nachteil eines Unternehmens als Zahlungsdienstnutzer abgewichen werden. Daher sei die Klausel auch nach § 134 BGB nichtig.
Folgen der Unwirksamkeit der Klausel
Die Feststellung des BGH zur Unwirksamkeit der Buchungsposten-Entgeltklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Preis- und Leistungsverzeichnissen von Banken und Sparkassen führt dazu, dass diese Klausel rückwirkend für die Vergangenheit vollständig entfällt. Banken und Sparkassen haben daher ihren Kunden nicht nur die Buchungspostenentgelte für fehlerhaft ausgeführte Buchungen oder Bareinzahlungen bzw. Barabhebungen zu erstatten, sondern sämtliche geleisteten Buchungspostenentgelte zurückzuzahlen.
Allerdings unterliegt der Erstattungsanspruch der Verjährung. Wann die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, dürfte noch in weiteren Gerichtsverfahren zu klären sein. Gesichert ist jedoch, dass pauschale Buchungspostenentgelte, die seit dem 01.01.2012 gezahlt worden sind, zurückverlangt werden können, wenn diese noch in 2015 verjährungshemmend geltend gemacht werden.
Auswirkung des Urteils für Unternehmen und Selbstständige
Das BGH-Urteil dürfte für viele Unternehmen und Selbständige von erheblichem Interesse sein, die eine hohe Anzahl von Buchungsfällen auf ihren Geschäftsgirokonten ausweisen und mit ihrer Geschäftsbank einen Girokontenvertrag auf der Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und des Preis- und Leistungsverzeichnisses geschlossen haben, die ein pauschales Buchungspostenentgelt („Preis pro Buchung“) vorsehen. Neben dem aufgezeigten Beispielsfall eines Versicherungsmaklers mit Beitragsinkasso kommen hier insbesondere Vermietungs- und Leasinggesellschaften, Verrechnungsgesellschaften, Energielieferanten, Telekommunikationsdienstleister etc. in Betracht.
Die meisten Banken und Sparkassen sahen in der Vergangenheit in den AGB zu ihren Geschäftsgirokonten pauschale Buchungspostenentgelte vor. Die Höhe derartiger Gebühren variiert und weicht zum Teil deutlich voneinander ab. Nach einer stichprobenartigen Untersuchung der Preis- und Leistungsverzeichnisses verschiedener Banken und Sparkassen durch die auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei MÜLLER l SEIDEL l VOS Rechtsanwälte belaufen sich die Buchpostenentgelte zwischen 0,04 € und 0,40 € je Buchung. Dabei ist festzustellen, dass der Sparkassensektor zum Teil deutlich höhere Buchpostenentgelte verlangt als große Geschäftsbanken.
Wer jetzt denkt, das ganze seien „Peanuts“, sollte das Rückerstattungspotential einmal anhand des nachfolgenden Beispiels genauer betrachten:
Ein Unternehmen verwaltet 30.000 Kundenverträge und zieht bei seinen Kunden regelmäßig monatliche Gelder ein bzw. erhält solche von den Kunden überwiesen.
Werden diese Buchungen über ein bei einer Sparkasse geführtes Geschäftsgirokonto abgewickelt und mit der im Sparkassensektor in der Vergangenheit recht häufig anzutreffenden Pauschale von 0,30 € bepreist, summieren sich die Buchungspostenentgelte auf jährlich 108.000 €. Für den derzeit noch unverjährten Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2015 ergibt sich somit ein Rückerstattungsbetrag von 378.000 €.
Selbst wenn diese Buchungen nur mit jeweils 0,04 € berechnet würden, hätte die Bank jährlich Buchungspostenentgelte von 14.400 € erlangt, was für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 30.06.2015 immerhin noch zu einen Rückerstattungsbetrag von 50.400 € führen würde.
Unternehmer und Selbstständige mit hohen Buchungszahlen auf ihren Geschäftsgirokonten sollten daher ihre Girokontenverträge dahingehend überprüfen lassen, ob die Grundsatzentscheidung des BGH auch auf sie zutrifft. Oftmals schlummern hier hohe Liquiditätsreserven, die bislang keiner erahnt hat. MÜLLER l SEIDEL l VOS Rechtsanwälte steht Ihnen und Ihrem Unternehmen gerne für die Prüfung und Durchsetzung von Rückerstattungsansprüchen zur Verfügung.